Unsichere Aussichten

Wer kennt das nicht: Die Wetter-App verspricht strahlenden
Sonnenschein, aber schon nach wenigen Minuten auf dem Fahrrad ist man völlig
durchgeregnet. Oder umgekehrt: Trotz Gewitterwarnung herrscht den ganzen
Nachmittag über herrlichstes Freibadwetter. Da kann man schon mal den Glauben
an Sven Plöger und Co. verlieren – wobei sie mit ihren Vorhersagen ja
andererseits auch überraschend oft richtig liegen.
Bevor es um den Einfluss der Corona-Pandemie auf die derzeitige Arbeit der
Wetterdienste geht, lohnt sich deshalb erst einmal ein Blick auf grundsätzlichere
Fragen: Wie gut können Meteorologinnen und Meteorologen das Wetter mittlerweile
vorhersagen? Und wovon hängt ihre „Trefferquote“ überhaupt ab?
Modellleistung
Wettervorhersage hat nichts mit Wahrsagerei und Kristallkugeln, dafür aber umso mehr mit Physik zu tun: Denn anders als die Lottozahlen oder Donald Trump unterliegt unser Wetter den Naturgesetzen, das heißt, es hält sich an bestimmte Regeln. Wenn man diese Regeln der (Thermo-)Dynamik und den aktuellen Zustand der Atmosphäre kennt, lässt sich die Zukunft ein Stück weit vorausberechnen. Vereinfacht gesagt: Man baut ein Modell der Erde inklusive Atmosphäre am Computer nach, bringt ihm ein bisschen Physik bei, füttert es mit Messdaten, lässt die Zeit im Zeitraffer ein paar Tage vorwärts laufen und beobachtet, was passiert. Mit der Rechenleistung wächst auch die Leistungsfähigkeit der Modelle (zum Beispiel durch eine immer höhere räumliche Auflösung) und damit auch die Genauigkeit der Prognosen. Laut einer Faustregel werden die Wettervorhersagen pro Jahrzehnt um etwa zehn Prozent besser.
Vorhersagezeitraum
Allgemein gilt: Je weiter man in die Zukunft schaut, desto mehr nimmt die Vorhersage-Qualität ab. Rein statistisch gesehen ist der Wetterbericht für den nächsten Tag in über 90 Prozent der Fälle korrekt. Doch schon beim Blick in die nächste Woche macht den Meteorologinnen und Meteorologen der sogenannte Schmetterlingseffekt zu schaffen: Aufgrund der Komplexität atmosphärischer Prozesse kann eine minimal abweichende Ausgangslage zu komplett unterschiedlichen Modellergebnissen führen. Deshalb beschränken sich die detaillierten Prognosen des Deutschen Wetterdienstes auf die nächsten zehn Tage. Darüber hinaus lassen sich nur noch allgemeinen Trends für großräumige Gebiete berechnen – was für die Klimamodellierung vollkommen ausreicht, ist nicht genau genug für eine lokale Wettervorhersage.
Wetterlage
Außerdem kommen die Modelle nicht mit allen Wetterlagen gleich gut klar: Beispielsweise stellen Gewitter eine sehr viel größere Herausforderung dar als eine stabile Hochdrucklage. Das hängt unter anderem damit zusammen, wie schnell und abrupt sich die unterschiedlichen Parameter in Raum und Zeit verändern: Langsame und graduelle Entwicklungen wie die Temperaturverteilung in einem Hochdruckgebiet lassen sich besser fassen als kleinräumige Unwetter, die leicht durch das grobmaschige Modellgitter fallen.
Datenlage
Die Wettermodelle sind nur so gut wie die Beobachtungsdaten, mit denen man sie füttert. Denn nur wenn der Ist-Zustand möglichst genau bekannt ist, kann das Modell vernünftig in die Zukunft rechnen. Einen Großteil der Messdaten liefern Satelliten, aber auch Bodenmessstationen und Wetterballons tragen ihren Teil dazu bei. Handelsschiffe helfen bei der Abdeckung der riesigen Ozeanflächen und auch manche Passierflugzeuge sind mit entsprechenden Messgeräten ausgestattet.
Und hier kommt Corona ins Spiel: Da der Flug- und Schiffsverkehr während der Pandemie dramatisch eingebrochen sind, fehlen hier plötzlich wichtige Daten. Darunter leidet die Qualität der Wettervorhersage. Schätzungsweise fällt sie zurzeit um etwa vier Prozent schlechter aus als vor der Krise.
Doch Corona hin oder her: Prognosen sind bekanntlich immer schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.
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